Vor kurzem habe ich einen Tag lang von meinen Freunden Wörter gesammelt, die eigentlich altertümlich und vom aussterben bedroht sein sollen, um sie schließlich in ein Märchen einzubauen.
Dies ist die Liste und das Märchen, das daraus entschanden ist.
Viel Spaß damit, M.
Schmu
mümmelstück
Lügenbeutel
Spinat
Klamauk
garstig
larifari
Bordstein
Rabauke
Galoschen
Schopf
drahtesel
Schelm
pauken
Trantüte
meschugge
pfundig
Barbier
Flegel
wählscheibe
suppenküche
Kolonialwarenladen
Abort
famos
Schlingel
Fräulein
Base
Haderlump
Waschküche
Mannequin
Unhold
Dreikäsehoch
Naseweis
neunmalklug
Pfennigfuchser
Ganove
entrüstet
austreten gehen
turnbeutel
vogelscheuche
Brause
ahoi
die meckernde mühlenbesitzerin Marianne
Halunke
Miesepeter
Bengel
jauchzen
Trottoir
Schabernack
urbar machen
Gefilde
Rinnsal
Heute, meine lieben Mitleser und Mitleserinnen, erzähle ich euch die Geschichte der meckernden Mühlenbesitzerin Marianne Meisenmeier.
Eigentlich war das junge Weib ein sehr nettes und hübsches Mädchen – lange, blonde Haare, ein kirschroter Mund und eine Figur, deren Rundungen so manche Männerherzen höher schlagen ließen. Doch unsere Heldin wurde nie wirklich glücklich. Sie war nun mal nicht für den Beruf der Müllerin geboren und nur durch eine Erbschaft kam sie in den Besitz der alten, klappernden Mühle.
Was sollte sie denn damit? Der Fluss, der einst den Getreideacker bewässerte und die Mühle zum Laufen brachte, war längst zu einem kleinen Rinnsal versiegt. Schon mehrmals versuchte sie das vertrocknete Land urbar zu machen, doch nichts half. Und so wurde unsere Heldin von Mal zu Mal mürrischer und wurde bald von den Bewohnern des Dorfes nur noch die „meckernde Mühlenbesitzerin Marianne“ genannt.
Und dies kam nicht von ungefähr! Jedes Mal, wenn sie beim Gemüseverkäufer ihren Spinat kaufte, den sie so gerne aß, meckerte sie entrüstet drauf los: „Waaaas? 3 Neandertaler für das bisschen Spinat? Das ist ja unverschämt, Sie Unhold!“
„Unhold? Und was sind SIE? Ein Miesepeter ganz besonderer Klasse, das kann ich Ihnen sagen! Kaufen Sie den Spinat doch woanders!“, beschwerte sich der Verkäufer. Sie bezahlte zwar diesen Wucherpreis, schwor sich jedoch – wie immer – nie wieder herzukommen und nie wieder bei dem Gemüsehändler einzukaufen.
Doch, meine Lieben, es war nicht etwa so, dass unsere mürrische Marianne nur ein geiziger Pfennigfuchser war, nein – sie war arm! Die Tatsache, dass ihre Mühle schon seit langer Zeit ruhig und ihr Acker genauso lange unbepflanzt blieb, trieb sie in den Ruin.
So konnte es nicht mehr weitergehen! Sie brauchte einen neuen Plan!
Als sie so in ihrem kleinen, verfallenen Häuschen eilig hin und her schritt angestrengt grübelte, wie sie nun zu neuem Reichtum gelangen sollte, kam ihr die zündende Idee!
Sie hatte zwar eine alte Mühle, die zu nichts zu gebrauchen war, ein altes Haus, das einzufallen drohte und einen Acker, der trockener nicht sein konnte – doch sie vergaß, dass dies nicht ihre einzigen Kapitale waren! Und so beschloss sie, in die Stadt zu ziehen und dort mit ihrem hübschen Aussehen als Top-Mannequin ihr Geld zu verdienen.
Sie fackelte also nicht lange, packte schnell ihr wichtigstes Hab und Gut in ihren Turnbeutel, setzte sich auf ihren alten Drahtesel und begann eilig in die Pedale zu treten.
Zuerst folgte sie immer dem Trottoir, das durch das kleine Dörfchen führte und dachte bei sich: „das wird mich schon in die nächste Stadt bringen!“. Doch als das Örtchen und somit auch das Trottoir ein Ende nahmen, ließ sie sich nicht abhalten und radelte einfach weiter. Über Stock und über Stein, durch den Wald und über die Berge – all dies war kein Hindernis für Müllerin Marianne Meisenmeier. Plötzlich jedoch bemerkte unsere Heldin, dass sie tief in einem besonders düsteren und angsteinflößenden Gefilde gelandet war. Und gerade JETZT musste sie austreten gehen. So ein Mist, dachte sie sich, denn ihr war ganz schön mulmig und sie wollte ungern von ihrem Rad absteigen und sich irgendwo ins Gebüsch kauern. Doch nach einer Weile gab es kein Zurück mehr, sie konnte es fast nicht mehr halten, hielt an und stieg ab. Kurz wartete sie und horchte still in die Dunkelheit hinein, doch sie konnte nichts hören. Also ging sie ein paar Schritte vom Weg ab in den Wald hinein, zog ihre Hose hinunter um ihr Geschäft zu erledigen, ging in die Hocke und – gerade als sie loslegen wollte bemerkte sie vor sich eine große, dunkle Gestalt! Ein Ganove – sie wusste es genau! Es MUSSTE ein Ganove sein, wer um alles in der Welt sollte sich sonst im Gebüsch verstecken um auf solch eine Gelegenheit zu warten?!
Mariannes Herz blieb fast stehen und sie überlegte, was sie jetzt tun sollte. Er hatte sie bereits entdeckt, da war sie sich sicher, sich ruhig stellen war also zwecklos. Und so entschloss sie sich für eine andere Variante, sie fing an du schreien: „Verschwinde du elender Halunke! Komm noch einen Schritt näher und ich zeig dir wo der Hammer hängt!“ Noch während sie sich ihre Hose wieder anzog und sich für einen Angriff bereit machte, bemerkte unsere tapfere Heldin, dass sich der vermeintliche Flegel TATSÄCHLICH nicht bewegte. Langsam schlich sie auf die Silhouette zu und – bemerkte, dass es nur eine Vogelscheuche war! „Wie dumm von mir, zu denken es wäre ein gemeiner Schlingel, der mich überfallen will“, jauchzte sie vor Erleichterung.
Jetzt konnte es also getrost weitergehen! Also stieg sie ganz famos auf ihr Rad und machte sich erneut auf den Weg in die große Stadt.
Nach einiger Zeit wurde es um sie herum endlich heller und sie verließ den düsteren Wald. Glücklich darüber, endlich wieder die Sonne zu erblicken trat sie fester denn je in ihre Pedalen. Bald kam ihr ein Haderlump entgegen, der seinen vollgepackten Lumpenwagen hinter sich herzog. Weil sie Mitleid mit dem Alten hatte, beschloss sie, ihm etwas abzukaufen, um ihm einen Gefallen zu tun. Da sie selbst nicht viel Geld hatte, wollte sie jedoch nur etwas Nützliches kaufen und entschied sich schließlich für ein paar hübsche, rote Galoschen.
„Guten Tag, ich möchte Ihnen diese roten Galoschen abkaufen, damit sie mal wieder zum Barbier oder in die Suppenküche gehen können!“, lachte sie. „Pass bloß auf, du Dreikäsehoch! Mit solch einem frechen Mundwerk, kommt ein Schelm wie du in der großen Stadt nicht weit!“ Der Lumpensammler hatte wohl kein Verständnis für solch einen Schabernack und starrte unsere Heldin erst eine Weile mit seinem garstigen Blick an, bevor er nur langsam seinen Wagen absetzte und im Schneckentempo anfing, die galanten Schuhe für Meisenmeier’s Marianne loszubinden.
Mensch, ist das eine Trantüte, dachte das hübsche Mädchen im Stillen, behielt es aber für sich, um den alten Mann nicht noch zorniger zu machen.
Als er ihr endlich die Schuhe und sie ihm im Gegenzug das Geld übergeben hatte, machten sich beide wieder auf ihre getrennten Wege.
Nach gar nicht allzu langer Zeit gelang das Mädchen schließlich zu einem Dorf. Da sie schon wieder dringend austreten musste, beschloss sie, im nächsten Kolonialwarenladen nach einem Abort zu fragen. Natürlich war es ihr gestattet, doch sie musste im Gegenzug etwas kaufen. Da Marianne sowieso im Sinn hatte, eine kleine Pause einzulegen, erwarb sie bei der pfundigen Verkäuferin einen Apfel und ein kühles Glas Brause. Mit diesen Leckereien machte sie es sich draußen auf einem Bordstein gemütlich und begann zu schmausen. Nach einer Weile kamen zwei Bengel des Weges und blieben bei ihr stehen. „Ahoi!“, sagte der Erste, „ich bin Naseweis und dies ist mein Bruder Neunmalklug. Möchtest du mit uns spielen?“
Das Ganze kam Marianne sehr komisch vor und so antwortete sie grimmig: „Seid ihr meschugge? Ihr habt ja wohl nur Klamauk im Schopf! Naseweis und Neunmalklug, dass ich nicht lache! Lügenbeutel seid ihr, sonst Nichts!“
Mit diesen Worten schmiss sie ihr Mümmelstück über ihre Schulter und vor lauter Wut verschüttete sie ihre Brause auf ihre neuen Schuhe! Solch ein Pech!
„Mist! Das ist alles nur wegen euch Rabauken passiert!“
„Ach, mach dir nichts draus“, antwortete Neunmalklug, „das bisschen Brause auf dem Galoschen – ist doch alles Larifari! Da drüben gibt’s ne Waschküche, da kriegst du sie schnell wieder sauber!“
Das lies sich unsere hübsche Heldin nicht zweimal sagen und machte sich gleich auf den Weg in die versprochene Waschküche um ihre Schuhe zu säubern.
Dort angekommen versuchte sie es zunächst mit Wasser, doch das half nichts. Auch Seife lies den Fleck nicht verschwinden. Sie schrubbte und rubbelte, doch der Fleck blieb.
„Ach Herrjeh mein Kind! Was bist du denn für ein Schmu?“, erklang es plötzlich aus der hintersten Ecke der Waschküche. „Das geht so nicht, hast du das denn nie gelernt?“. Eine alte Dame schlich sich langsam an sie heran und blieb alsbald neben Marianne stehen. „Du musst noch eine Menge pauken um in dieser Welt zurecht zu kommen.“, sagte sie.
„Nur Seife reicht bei solchen Flecken nicht! Erstrecht nicht bei diesem edlen Stoff! Da braucht man schon eine gewisse Base, die man einreibt.“
Mit diesen Worten schüttete das Großmütterchen eine durchsichtige Flüssigkeit auf den Schuh und begann den Brausenfleck zu reiben. Im Handumdrehen war der Fleck nicht mehr zu sehen und Marianna war nun überglücklich, da die Schuhe noch schöner aussahen, als zuvor. Das Mädchen bedankte sich recht freundlich und machte sich schnell wieder auf die Socken, beziehungsweise auf die roten Galoschen. Schließlich hatte unser hübsches Fräulein noch immer ein Ziel vor Augen: Sie wollte Mannequin und mit ihrem Aussehen reich werden. Da schon bald ein Casting für eine große Werbefirma in der nächsten Stadt anstehen sollte, blieb Marianne nicht lange in dem Dörfchen, sondern radelte schon am nächsten Tag in die große Stadt und suchte sich dort ein Zimmer.
Drei Tage und Nächte verweilte sie dort und wurde immer nervöser. Würde sie bei dem Casting versagen? Oder bekam sie einen Auftrag für die große Werbekampagne?
Ja, meine geliebten Leser und Leserinnen, wie sollte es auch anders sein? – Unsere Marianne Meisenmeier wurde, wie ihr schon erraten habt, ein berühmtes Mannequin der Werbebranche – sie präsentierte alles, vom Obstmesser bis hin zur Wählscheibe und lebte ein Leben, dass sie sich – als mürrische Müllerin – nie erträumt hätte.
Ende.